Schüler-Reporter: Küsten im Klimawandel

Ein Leben für die Küste?!

Gespannt lauschen die Schüler, als Stefanie Nolte von ihrer allerersten Begegnung mit einer Salzmarsch berichtet: Es war einmal im Februar, ungemütlich kalt, regnerisch und stürmisch… Die Leuchtturmwarft des Westerhever-Leuchtturms wurde für einige Tage zur Insel, inmitten einer grandiosen Salzwiesenlandschaft. Unerschrocken den widrigen Wetterbedingungen trotzend konnte sie nichts und niemand davon abhalten, sich in diese einzigartige Landschaft zu verlieben, die ihr späteres Leben nachhaltig prägen sollte!

Wo alles anfing… (Vortrag von Frau Dr. Stefanie Nolte

Spätestens jetzt ist uns allen klar: da kommt kein trockener Vortrag, sondern ein Feuerwerk mitreißender Wissenschaftsdoku vom Feinsten! Und niemanden von uns überrascht es, dass Stefanie Nolte bereits eine erfolgreiche Biologin ist: Sie leitet die Arbeitsgruppe „Küstenökologie“ in der Abteilung „angewandte Pflanzenökologie“ der Universität Hamburg in Klein Flottbek.

Im gut didaktisierten Stil einer geographischen Verortung führt sie die Schüler im Wechsel lokaler und globaler Perspektiven in die Thematik der Salzmarschen ein. Dabei erläutert sie auch die Entstehungsgeschichte der Salzmarschen und erklärt, warum ihr wissenschaftlicher Betrachtungsraum mit dem Übergang zu glazialen Landschaftsformen der letzten Eiszeit endet.

Eine besondere Aufmerksamkeit widmet Stefanie Nolte der Betrachtung menschlicher Einflüsse auf die Salzmarschen. Seit Jahrhunderten fördert der Mensch das Wachstum von Salzmarschen vor den Deichen durch den Bau von Lahnungen. Durch diese Maßnahmen etabliert sich rasch eine Salzwiesenvegetation und beschleunigt die Entwicklung der Marsch. Ist das ein zukunftsfähiges Modell?

Raumanalyse zur Genese der Salzmarschen

Die Zukunft der Salzmarschen ist aufgrund des  zunehmenden Meeresspiegelanstiegs, welcher ihr Verschwinden verursacht, bedroht. Aufgrund des wirtschaftenden Menschen ist eine natürliche Rückverlagerung von Salzmarschen oft unmöglich. Hinzu kommt, dass hinter den Deichen die Marsch kontinuierlich absackt, ein Eintrag neuer Sedimente wird durch Deiche verhindert, eingedeichte Marschen liegen in vielen Bereichen bereits heute unterhalb des aktuellen Meeresspiegels.

In ihrem Vortrag gibt Stefanie Nolte darüber hinaus einen genaueren Einblick in die Funktion der Salzwiesenvegetation als Sedimentfänger und Wellendämpfer. Sind unbeweidete Salzwiesen effizientere Sedimentfänger als beweidete? Dies hätte einen Einfluss darauf, wie gut Salzwiesen mit dem ansteigenden Meeresspiegel mitwachsen können und ist Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.

Die Forschergruppe möchte auch klären, in welchem Ausmaß die Vegetation Einfluss auf die Höhe von Wellen bei Sturmflut ausübt. Mithilfe einer aufwändigen Modellierung unter Laborbedingungen, in diesem Fall ein überdimensionaler Wellenkanal in Hannover, präpariert mit Salzwiesenvegetation, wiesen die Wissenschaftler bereits nach, dass die Vegetation die maximale Amplitude der Wellen bis zu einem halben Meter herabsetzen kann.

Zu Überraschung aller stellt Stefanie Nolte im Anschluss dieser Ausführungen die besondere Funktion von Teebeuteln (!) für ihre Forschungen in den Vordergrund ihrer weiteren Betrachtungen. Wir werden aufgefordert das Projekt „Teatime 4 Science“ aktiv zu unterstützen. Weltweit werden Teebeutel eingebuddelt und nach definierter Zeit ihre Zersetzung untersucht. Es geht um die Fähigkeit des Bodens klimaabhängig Kohlenstoff zu speichern. Bei den Salzwiesen geht es z.B. auch um speziellere Faktoren wie den Salzgehalt, der ebenfalls vom Klima beeinflusst organische Abbauprozesse beeinflusst. Weltweit werden Daten zu Durchschnittstemperatur und Salzkonzentration der Salzmarschen zusammengetragen und mit den Zersetzungsbefunden der Teebeutel korreliert. Beeindruckend ist, wie genau auch bei diesem Projekt über winzige Details nachgedacht wird, z.B., dass ausschließlich Teebeutel der gleichen Produktionsreihe in unterschiedlichen Salzmarschen weltweit vergraben werden. Aber aufgrund der Tatsache, dass es sehr viele Variablen und Abhängigkeiten sowie bisher wenig Vergleichswerte gibt, konnten aus den Ergebnissen bisher keine gesicherten Aussagen hinsichtlich einer Klimaabhängigkeit der CO2-Einspeicherung in Salzmarschen abgeleitet werden.

Begeistert für die Wissenschaft!

Um trotzdem die Auswirkung des Klimawandels für unseren Küstenabschnitt genauer zu erfassen, wurde nun ein aufwändiges, sehr beeindruckendes Projekt gestartet: In einem Gebiet auf der Hamburger Hallig wurden kuppelförmige Erwärmungskammern errichtet, die durch eine stetige Stromversorgung für eine künstliche Regulierung der Temperatur sorgen. Heizkabel ermöglichen, dass die Temperatur an der Oberfläche sowie in einem Meter Tiefe reguliert wird und so ein Temperaturanstieg um einige Grad simuliert werden kann. Biologen mit verschiedenen Forschungsschwerpunkten untersuchen nun die Folgen dieses sehr genau aussteuerbaren Klimaexperiments. Es soll fünf Jahre lang betrieben werden und Stefanie Nolte lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich auf spannende Ergebnisse für ihr angeregtes Forscherleben freut!

Es zeigt sich, dass ein begeisternder Vortrag am Ende eine ausgesprochen interessierte Fragerunde erzeugt, in der einige Themen noch weiter vertieft werden können. Und in Zukunft werden wir uns beim Aufbrühen eines Teebeutels unwillkürlich und gerne an diesen tollen Vortrag zurückerinnern.

Alles Gute Frau Nolte, im Land der Deiche, Schafe und Salzmarschen! Wir kommen gerne mal vorbei!

Ein Vortrag, der noch beim Schreiben Spaß macht!

Autoren: Melanie Busch, Marcel Busch, Nele Wittwer, Hamburg, 19.10.2017